Seniorenpolitisches Konzept - Zufrieden älter werden im Landkreis Ravensburg

Kreis Ravensburg - Bis zum Jahr 2025 wird der Anteil der über 75-Jährigen im Landkreis um rund 3.500 Menschen auf über 12 Prozent der Kreisbevölkerung ansteigen. Ein deutlich höherer Bedarf an stationären Pflegeplätzen und Kurzzeitpflegeplätzen ist eine Folge davon, aber auch Themen wie Mobilität und die Versorgung Zuhause werden vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Mit einem Seniorenpolitischen Konzept will der Landkreis Ravensburg nun eine Handlungshilfe für alle Verantwortlichen zur Verfügung stellen.

Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, für die über 75-Jährigen bis zu 4 mal höher als für die Altersgruppe zwischen 65 und 75 Jahren, der vorhersehbare Anstieg um 3.500 Senioren bei einer Kreisbevölkerung von rund 280.000 binnen weniger Jahre also ein „guter Grund, beizeiten Vorsorge zu treffen“, so Landrat Harald Sievers und Sozialdezernentin Diana E. Raedler bei der gestrigen Pressekonferenz. Herausgekommen ist ein 118 Seiten starkes Seniorenpolitisches Konzept, mit dem Landkreis Ravensburg nicht nur den Bestand und Bedarf an „klassischen“ stationären Pflegeplätzen aufzeigen will, sondern auch auf Themen eingeht wie den besonderen Bedarf pflegebedürftiger Senioren, ambulante Versorgungsangebote, Wohnen im Alter, Palliativversorgung. Breiten Raum nehmen darin auch die Bedürfnisse demenzkranker Senioren ein, deren Anteil aller Voraussicht nach überproportional ansteigen wird.

„Ausgewogen, ausreichend, qualitativ hochwertig und flächendeckend“ soll die Versorgung der älteren Menschen im Landkreis Ravensburg stattfinden, so die Dezernentin für Arbeit und Soziales im Ravensburger Landratsamt, Diana E. Raedler. Oberstes Ziel sei es dabei, dass die Senioren so lange wie möglich im vertrauten Umfeld zu Hause bleiben können. Aktuell werden von den kreisweit 8.500 Pflegebedürftigen noch 73 Prozent zu Hause und nur 27 Prozent in den insgesamt 50 Pflegeheimen im Landkreis versorgt (Stand 2015). Dass sich diese Anteile bald deutlich verschieben könnten, zeigt ein Blick auf die Altersstruktur: Die geburtenstarken „Babyboomer“-Jahrgänge zwischen 1955 und 1965 haben ihrerseits dank „Pillenknick“ vergleichsweise wenig Nachkommen, die sie im Alter betreuen könnten. Ein weiterer Boom im gesamten Pflegebereich ist damit vorprogrammiert, ein Ausbau gerade auch des stationären Angebots unabdingbar, so Raedler. Wurde beispielsweise im Jahr 2002 im gesamten Landkreis Ravensburg noch ein Plus von rund 400 Pflegeheimplätzen registriert, braucht es nach den Berechnungen der Fachleute in Raedlers Dezernat aktuell weitere 250 solcher Plätze um den prognostizierten Bedarf von 2.550 Plätzen im Jahr 2025 zu decken. Dabei sind die Folgen der Migration und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und die Altersstruktur noch gar nicht berücksichtigt, da aus heutiger Sicht noch nicht auseichend vorhersehbar, so Raedler. Dass dieses Defizit nicht gleichmäßig über den Landkreis verteilt ist, zeigt ein weiteres Kapitel des Konzeptpapiers. Demnach fehlt es an stationären Pflegeplätzen derzeit vor allem in Weingarten, Bad Wurzach, Bad Waldsee, Wangen und in Baienfurt. Neuregelungen der Landesheimbauverordnung nach denen Mehrbettzimmer in Einzelzimmer umgewandelt werden sollen, verschärfen diesen Mangel nochmals, so Raedler.

Noch enger wird es in den nächsten Jahren auch beim Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen und dies vor allem in den ländlichen Regionen des Landkreises. Auf rund 150 dieser Möglichkeiten zur Überbrückung kurzfristiger Versorgungsengpässe etwa nach einem Krankenhausaufenthalt oder zur Entlastung pflegender Angehöriger veranschlagt das Konzept der Kreisverwaltung diesen Bedarf, dem aktuell lediglich 10 ganzjährig zur Verfügung stehende Kurzzeitpflegeplätze gegenüberstehen.

Gravierend auch das Defizit bei der Tagespflege, bei der eine rechnerische Aufstockung um mehr als 50 Prozent von derzeit gerade mal 160 auf 250 Plätze erforderlich wird um den erwartenden Bedarf abzudecken. Insbesondere in den ländlichen Gegenden wie Amtzell, Bodnegg, Grünkraut, Bad Wurzach, Wolfegg und Kißlegg sieht der Bericht hier Defizite, die zudem noch dadurch verstärkt würden, dass nur die Hälfte der 24 Einrichtungen, die Tagespflege anbieten, einen entsprechenden Fahrdienst vorhalten.

Überhaupt ist Mobilität ein zentraler Begriff in dem Konzept, über das der Kreistag in seiner nächsten Sitzung am 23.März abzustimmen hat. Was bei jungen Menschen selbstverständlich ist, nämlich die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die eigenständige Erledigung von Alltagsangelegenheiten, gehört auch bei alten Menschen zu einem lebenswerten Leben, weshalb ausreichende Bus-, Bahn- oder Taxiverbindungen, die Informationen über entsprechende Angebote vor Ort wie auch die Verbesserung der Mobilität in den eigenen vier Wänden auf dem Wunschzettel des Seniorenpolitischen Konzepts ganz oben stehen. Zum Leben in der angestammten Wohnung gehört in vielen Fällen auch die Unterstützung durch ambulante Pflegedienste. 31 von ihnen versorgen aktuell an 34 Standorten kreisweit knapp 3000 Personen. Obwohl diese durch insgesamt 62 Nachbarschaftshilfen und Mobile Hilfsdienste nochmals ergänzt werden, die sich hauptsächlich auf hauswirtschaftliche Versorgung, stundenweise Betreuung und Begleit- und Besuchsdienste konzentrieren, kommt das Konzept der Kreisverwaltung nach entsprechenden Befragungen der Dienste, Betroffenen und Fachleute zu dem Schluss, dass die haushaltsnahen Dienstleistungen, die Wochenend- und Nachtversorgung und auch das Angebot von „Essen auf Rädern“ unbedingt weiter ausgebaut werden müssen. Einmal mehr sind wie bereits in anderen Bereichen auch hier wieder die ländlichen Bereiche des Landkreises ganz besonders tangiert.

Alles in allem kommt das Seniorenpolitischen Konzept auf knapp 40 Handlungsempfehlungen wie beispielsweise die Stärkung der Quartiersentwicklung im Landkreis, die Unterstützung der Kommunen dabei sowie die Stärkung der Kurzzeit- und Übergangspflege, die es nun aus Sicht der Kreisverwaltung zügig umzusetzen gilt. Dabei gefordert sind, so Dezernentin Raedler, alle Akteure, vom Landkreis, den Kommunen, Pflegekassen, den Trägern der Altenhilfe bis zu den Kirchen und den bürgerschaftlichen Initiativen. Bereits begonnen wurde ein Kooperationsprojekt des Landkreises mit der Gemeinde Bodnegg zur Quartiersentwicklung. Die hier gewonnenen Erkenntnisse sollen auch auf andere Kommunen übertragen werden. Ferner hat sich der Landkreis beim „Innovationsprogramm Pflege 2018“ des Bundesministeriums für Soziales und Integration mit einem Projektantrag beworben, der das Thema der „Kurzzeit- und Übergangspflege“ zum Inhalt hat. Weitere konkrete Schritte werden die Bildung eines Arbeitskreises Palliativversorgung sein. Bestehende und bewährte Angebote wie die der Beratung des Pflegestützpunktes des Landkreises in Kooperation mit den Zuhause Leben-Stellen der Caritas Bodensee-Oberschwaben sowie das Fortbildungsangebot des „Netzwerk Demenz“, ein Kooperationsprojekt des Landkreises mit dem ZfP Südwürttemberg, sollen nach dem Willen der Kreisverwaltung fortgeführt werden

Pressedienst Nr. 054
Pressestelle
Friedenstraße 6
88212 Ravensburg
Ravensburg, den 16.03.2018

Ihr direkter Kontakt

Landkreis Ravensburg
Presseservice
Tel.: 0751 85-9200
Mail: Presse@rv.de
Kreishaus I
Friedenstraße 6
Ravensburg

Frau Zembrodt
(Pressesprecherin)

Frau Birk
(stv. Pressesprecherin)